Woran liegt es, dass man sich nach bestimmten Begegnungen schlecht fühlt? Die Art der Kommunikation macht es aus. Wer sich gut fühlen und gesund bleiben möchte, sollte darauf achten, wie er mit sich reden lässt. Nicht selten ist destruktive Kommunikation (DK) daran schuld, dass die Stimmung absinkt oder sich Depressionen einstellen. Besonders Frauen sind gefährdet.
Mein Arzt hat mir eine depressive Verstimmung diagnostiziert,“ sagt Marie A., (34), eine gepflegte schlanke, sehr gut aussehende Frau. »Aber tatsächlich geht es mir viel schlechter. Ich habe das Gefühl, nichts richtig machen zu können.« Im Gespräch stellt sich heraus, dass sie halbtags arbeitet, ihrem Mann mit dem Hof hilft und zwei Kinder erzieht – sie ist offensichtlich normal belastbar. So begebe ich mich auf die Suche nach der Ursache: »Können Sie mir sagen, wann diese Verstimmungen auftreten?« Maria weiß es nicht. So erhält sie die Aufgabe, darauf zu achten, welche Ereignisse bei ihr zu einer Stimmungsverschlechterung führen und sie aufzuschreiben. Zwei Wochen später werten wir die Notizen aus. »Es gibt verschiedene Personen, wenn ich mit denen Kontakt habe, fühle ich mich mies.« – »Was genau bedeutet mies?« hake ich nach. – »Ich fühle mich schlecht, schuldig, einfach ungenügend.« – »Und wie schaffen es diese Personen, dass sie in Ihnen diese Gefühle hervorrufen?« –»Sie reden so mit mir , als wäre ich ein dummes Kind und im Unrecht, als könnte ich nichts richtig machen!«
Raus aus dem Verhaltens-Muster!
Frei von alten Mustern werden: Marie A. hat erkannt, dass sie sich destruktiver Kommunikation aussetzt. Das bedeutet, dass sie herabgesetzt und entwertet wird. So wichtig es Männern ist, geachtet zu werden, ist es Frauen wichtig, geliebt zu werden. Viele Männer geben sich für Anerkennung durch beruflichen Einsatz selbst auf. Im Gegenzug laufen Frauen Gefahr, sich zu verbiegen und übersehen ihre wahren Bedürfnisse. In einer Beziehung ist jeder Mensch zu 50 Prozent dafür verantwortlich, wie sie läuft. Wer DK ausgesetzt ist, lässt aktiv zu, dass er entwertend behandelt wird. Nicht immer liegt eine kindliche Prägung vor, doch wer als Kind Minderwertigkeitsgefühle entwickelt hat, wird sich eher in destruktiven Situationen wieder finden. Nichtsdestotrotz kann jeder sich von alten Mustern frei machen!
Destruktive Kommunikation (DK) erkennen
Wer DK verwendet, fühlt sich seinem Gesprächspartner unterlegen, d.h. er hat im Grunde eine ebenso schwache Persönlichkeit aufgebaut wie der Partner, der sich dies gefallen lässt. Häufig ist er abhängig vom Partner , d.h. er erwartet überdurchschnittlich viel praktische und emotionale Dienstleistung in Form von Unterstützung, Zuhören, Probleme bereden, Tipps, Trost und Zuwendung. Seine schwache Persönlichkeit stabilisiert er, indem er den Gesprächspartner entwertet. Dies geschieht in erster Linie durch DK. Er stellt sich in die Rolle des Erwachsenen und drängt den Gesprächspartner in die Kinder-Rolle, wo er sich verteidigen, schlecht fühlen, sich lieb Kind machen soll. Auch ein Harmonie-Bedürfnis des Gesprächspartners wird ausgenutzt.
Beispiele für DK
– Aussage: »X. hat mich verletzt.« DK: »Guck dich mal an, du verletzt auch dauernd andere.« (Mangel an Verständnis und Trost, Niedermachen, Beschuldigen)
– Aussage: »Die Auto- batterie ist kaputt.« DK: »Du kriegst auch alles kaputt. Das ist deine Schuld.« (Beschuldigen, beschämen, in Verteidigungsposition drängen)
– Aussage: »Du hast 80 Euro vom Konto abgehoben. Wieso?« DK: »Du hast ja selbst 100 Euro verschwendet!« (Verwirrung stiften, auf Neben-Themen ablenken, in Verteidigungsposition drängen).
Weitere sind: Vorwürfe wie »Immer«, »Nie«, alles was mit »Du bist, du tust...« beginnt, »du solltest«, »du hättest«, »wenn du (nicht), dann wäre (nicht)« usw. Destruktive Kommunikation lässt sich an den ausgelösten Gefühlen erkennen. Opfer destruktiver Kommunikation fühlen sich: Ohnmächtig, schlecht, nieder gemacht, angegriffen, zu Unrecht beschuldigt, verletzt, klein gemacht, verachtet, beschämt, traurig, abgelehnt, ungeliebt, fühlen Hass und Verachtung oder in Extremfällen Mitleid mit dem Täter. Sie reagieren mit Rückzug oder bekommen selbst bisweilen einen Wutanfall. Das Gefühl der Verwirrung bedeutet, dass man sich jetzt wehren sollte, dies aber unterdrückt oder einfach keine praktischen Strategien entwickelt hat, wie man mit Angriffen pariert. »Ich hatte bisher immer mit Anpassung und »unter den Teppich kehren« reagiert«, sagt Marie. »Ich war dann besonders nett, um den Frieden wieder herzustellen.«
"Mein Harmonie-Bedürnis schadet mir!"
Negativer Input sollte aber nicht positiv mit Zuwendung und Aufmerksamkeit, sondern negativ, nämlich mit Abwenden oder Aggression beantwortet werden. Da ein seelisch gesunder Mensch die Schuld erst bei sich sucht, beginnt er, auf Dauer an sich zu zweifeln. Marie: »Ich hatte das nicht durchschaut und dachte, alles liegt an mir.« Wer häufig mit Elternrollen-Spielern zu tun hat, kann einen Mangel an Durchsetzungsvermögen, Abgrenzungsfähigkeit und Selbstwertgefühl aufweisen. Mit sicherem Instinkt wittert der Aggressor einen Blitzableiter, an dem er seinen Frust ablassen kann und dafür Freundlichkeit und Zuwendung erntet. Auch dauerhafte Kritik an Aussehen, Gewicht, Benehmen, Verhalten gegenüber anderen ist entwertend. Es gibt DK in so kleinen Dosen, dass sie wie Nadelstiche kaum bemerkbar ist: Der kritische Blick auf die neue Frisur ohne ein Wort, das Gesicht-Verziehen, wenn man angeblich einen Fehler gemacht hat oder »ertappt« wurde, Mangel an Blick-Kontakt, durch Mimik, Gestik oder Worte die Freude an einer Beschäftigung oder einem Erlebnis nehmen, Augen-Verdrehen sammeln sich an.
Tipps gegen Destruktive Kommunikation
Wer immer mal einen Wutanfall bekommt, den er sich nicht erklären kann, sollte analysieren, ob er sich DK aussetzt. Wer DK ausgesetzt war, neigt zu Über-Empfindlichkeit. Stellen Sie sich vor, was der Gesprächspartner zu ihnen sagt, liegt auf einem Tisch. Hier können sie es begutachten und prüfen, ob es zutrifft. Denn jeder hat ein Recht auf seine Meinung, auch wenn sie zunächst verletzend klingt. Mit dieser Distanz kann man sich vor falschen Reaktionen aufgrund von Über-Empfindlichkeit schützen.
l Bemerkt man hinter der Äußerung eine Manipulation, d.h. wird versucht, auf andere Art als durch freundliches Bitten Einfluss auf das eigene Verhalten zu nehmen, sollte man den Gesprächspartner damit konfrontieren. Wem das schwerfällt, kann die Situation entschärfen, indem er sich vorstellt, es sei nur eine Übung – und wennes schiefgeht, kommt mit Sicherheit die nächste Gelegenheit zum Üben.
l Konfrontieren heißt: Darauf ansprechen. Dazu sollte man in sich hineinhören und spüren, welche Gefühle nach einer Äußerung sich melden. Dann kann man eine Ich-Botschaft senden: »Ich fühle mich niedergemacht, wenn du mich anschreist«, »Ich fühle mich zu Unrecht verurteilt, wenn du mir die Schuld daran gibst«, »Ich fühle mich entwertet, wenn du an meiner Figur herum nörgelst«, »Ich fühle mich in die Verteidigungsposition gedrückt, wenn du mir Vorwürfe machst.«
l Sinnvoll sind auch abgrenzende Äußerungen wie: »Ich respektiere deine Meinung, finde aber ..., ich denke anders darüber , das trifft auf mich nicht zu, das sehe ich nicht so, ich gefalle mir gut, ich mag meine Haare so, ich bin der Meinung, ich unterstütze dich genug, ich sehe keinen Sinn darin mich zu beschuldigen, ich habe nicht vor mich zu verteidigen, ich kann mit dieser Art von Äußerung nichts anfangen etc.«
l Hintergrund dieser Botschaften ist die Sicherheit, dass die eigenen Gefühle
normal und berechtigt sind. Von dieser Warte aus kann man üben, den eigenen Standpunkt/die eigene Person zu schützen und sich Respekt und Achtung verschaffen.
Achtung! Narzissten!
Extreme Elternrollen-Spieler übergehen und übersehen die Bedürfnisse der Mitmenschen. Sie weisen häufig narzisstische Merkmale auf: Auffallend ist ihr Mangel an Einfühlungsvermögen und Verständnis. So reagieren sie z.B. auf Situationen, wie zum Beispiel Krankheit, in denen man normalerweise Trost und Verständnis erwarten würde, mit Anklagen, Beschuldigungen oder Belehrungen bis zu Anschreien. Sie torpedieren Lösungs-Gespräche, indem sie alles an DK auffahren, was einen Lösungs-Prozess aufhalten kann: Kritik, entwertende Bemerkungen, Pädagogisieren, Beschuldigen, Moralisieren, Erpressung und ähnliches Ziel ist, vom Thema abzulenken und keine Lösung herbeizuführen, um alles beim Alten zu belassen, da sie bisher von der Situation (seelisch oder materiell) profitiert haben. »Wir konnten nie ein vernünftiges Gespräch führen«, sagen Frauen, die in einer von DK bestimmten Beziehung leben.
Auch Menschen mit Helfersyndrom tendieren dazu, den Gesprächspartner zu »verbessern«, zu moralisieren und ihm zu vermitteln, er sei unselbständig, unfähig und auf sie angewiesen. Maria gelingt es im Laufe der Beratung zunehmend besser, sich gegen DK und andere Übergriffe in ihre Angelegenheiten abzugrenzen. »Schon allein, dass ich jetzt weiß, was mir die Stimmung trübt, hat mir geholfen!« freut sie sich nach dem Coaching.
Autorin: Beatrice Rieder M.A., www.cef-ev.de,
Quelle: Allgäuer Bauernblatt 7/2012, S. 65
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